Von Alfred Nemeczek

Die Nachricht sprach sich schnell herum und irritierte vor allem Sympathisanten und Freunde von Joseph Beuys: In der Düsseldorfer Galerie Hans Mayer hatte der „Mann mit dem Hut“ Anfang November 1979 nicht nur Damen-Handtaschen und nackte Arme mit seinem Namenszug versehen, sondern sogar Geldscheine der Vernissage-Gäste signiert. Sponsor der Aktion: das Kölner „Capital“, in dessen umstrittener Hitparade „Kunstkompass“ Beuys damals den Spitzenrang besetzte. War der integre Mann plötzlich übergeschnappt?

Heute kaum vorstellbar: Doch der „einflussreichste Künstler in Europa“ (US-Magazin „Time“) hatte seinerzeit einen schweren Stand – und das ausgerechnet bei seiner treuesten Klientel: Sie verehrte Beuys zwar für seine oft genialen Zeichnungen, begeisterte sich für seine Plastiken aus Wachs, Filz, Kupferplatten oder Fett und tolerierte selbst seinen „erweiterten Kunstbegriff“, wenn dabei so symbolhaltige und dynamische Werke heraus kamen wie die „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ bei der documenta 6 von 1977. Und solange das den Kunstbetrieb nicht störte, ließ sich das Publikum selbst den Hang des Künstlers zur Vereinsmeierei gefallen. Also die Gründung einer “Deutschen Studentenpartei“ (1967), einer „Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ (1972) oder „Freien internationalen Hochschule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung - FIU“ (1973).

Als Beuys jedoch bei der Europa-Wahl 1979 für die noch einflusslose Splittergruppe der Grünen kandidierte, vor Fernsehkameras wie ein Funktionär zu reden begann („eine Zukunft auf besseren Werten aufbauen“) und 1982 gar als Popsänger auf einer Single den Kalauer „Sonne statt Reagan“ keuchte, hatte der Künstler offenkundig die Seiten gewechselt. Er war zum Polit-Sektierer geworden. Damals gab der Grafiker Klaus Staeck, erprobter Beuys-Gefährte und kritischer Sozialdemokrat, eine Postkarte heraus, auf die der Grüne Beuys geschrieben hatte: „Klaus Staeck ist mein politischer Gegner“.

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